KMPE-Dortmund
Bild KMPE - Koordinierungs-Gruppe Mitbestimmung Psychiatrie-Erfahrener in Dortmund

Sie haben Erfahrung mit einer psychischen Erkrankung? Expertinnen und Experten in eigener Sache sind gefragt, um die Situation von psychisch kranken Menschen in Dortmund zu verbessern! Sie können mitmachen.

BildFragen an die Parteien zur Bundestagswahl am 26.09.2021



Wir haben 5 Fragen an die Parteien zusammengestellt. Antworten kamen bisher:

Von der SPD:
Anke Reese-Menn
Referentin
SPD-Landesverband NRW

Von der FDP:
Ich bin Frieder Löhrer,
Kandidat der FDP im Wahlkreis 143, Dortmund II.


1. Für Pflege steht wenig Geld zur Verfügung, wird es bei einer Regierungsbeteiligung ihrer Partei mehr Geld für psychosoziale Pflege geben oder nicht?

SPD: Wir setzen uns für die Fortentwicklung der Pflegeversicherung zur einer solidarischen Pflegevollversicherung ein, die alle Kosten der stationären und ambulanten Pflege, inkl. der psychosozialen Pflege abdeckt. Die Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ihre Kosten sollen durch eine solidarische Vollversicherung abgesichert werden und nicht von wenigen Bedürftigen in Not getragen werden. Die Pflege darf in keinem der Pflegebereiche zu Luxus werden. Krankheit oder Altern sollen nicht zu Armut und Abhängigkeit vom Sozialamt führen.

FDP: Für die Pflege steht heut mehr Geld zur Verfügung 1980. Das ist der berühmte Satz, den wir überall hören und lesen. Eins hat sich aber immer noch nicht geändert. Der entscheidende erste Schritt: die Einsicht, dass ein gebrochener Arm und eine gebrochene Seele gleich gut zu behandeln ist. In den meisten Köpfen ist immer noch das Bild, Hirn du Zentralcomputer mit einem Defekt, dann der ganze Mensch defekt.
Ja, es braucht mehr Geld, deutlich mehr. Dafür werde ich mich einsetzen.


2. In psychiatrischen Einrichtungen gibt es eine Verpflegungspauschale von 5,10 € pro Tag für Menschen, die dort permanent untergebracht sind, werden Sie sich für eine Erhöhung einsetzen oder nicht?
SPD: Wir setzen uns dafür ein, dass die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entwickelten Qualitätsstandards für die Verpflegung in Krankenhäusern verbindlich werden und den stationären Einrichtungen entsprechende Mittel zur Verfügung stehen. Mit der verbindlichen Einführung dieser Qualitätsstandards für die Verpflegung in Krankenhäusern würden die Verpflegungspauschalen deutlich steigen.

FDP: Hier gilt das gleiche wie zu 1. Es geht um die Menschenwürde. Natürlich ist es gefühlt immer nicht genug. Aber es darf die dauernde Unterbringung nicht zur Verwahrstation verkommen. Das geht nicht. Also muss es angepasst werden, am besten mit einer Bindung an den CPI (Consumer Price Index).


3. Die Befreiung aus der Spirale Krankheit, Armut, Verschlimmerung des Krankheitsbildes ist recht häufig bei Menschen mit psychiatrischen Diagnosen. Wie wird ihre Partei unsere Community EXTRA Hilfen zukommen lassen, um Hartz IV zu überwinden?

SPD: Wir werden die Grundsicherung nach SGB II zum Bürgergeld entwickeln. Unser Bürgergeld steht für ein neues Verständnis eines haltgebenden und bürgernahen Sozialstaats. Das Ziel ist, die hilfsbedürftige Lebenslage gemeinsam zu überwinden und allen eine Beschäftigung und, falls erforderlich, eine Qualifizierung und Weiterbildung zu ermöglichen.
Wir wollen den Zugang zu passgenauen individuellen beruflichen Bildungsmaßnahmen ausbauen, die Antworten auf die individuellen Herausforderungen geben, und ermöglichen, die Spiralen von Krankheit, Angst und Armut zu durchbrechen.

FDP: Aus eigener Erfahrung braucht es eine gute Betreuung, viel Selbstdisziplin, ein gutes familiäres Umfeld. Wenn eine dieser Rahmenbedingungen fehlt, wird es sehr schwierig, ausser wir schaffen eine entsprechende Betreuung. Das ist aus meiner Sicht das Schlüsselwort: menschliche Zuwendung!


4. Wie sollte der LWL die Teilhabe erleichtern, im Vergleich zum bestehenden BEI_NRW?

SPD: Das bisherige BEI_NRW hat sich in den letzten Jahren als Instrument zur Bedarfsermittlung bewährt. Aus unserer Sicht ist es aber erforderlich das BEI_NRW den neusten Entwicklungen der Digitalisierung anzupassen und damit jederzeit eine niederschwellige und transparente Teilhabe zu ermöglichen. Diese Anpassungen sollten im offenen Dialog mit den Betroffenen und ihren Interessenvertretungen erfolgen.

FDP: Das tut mir leid, die Frage verstehe ich nicht. Die Kürzel sagen mir nichts, da bin ich nicht in der Lage das zu beantworten. Das war meine erste Reaktion. Die Stadt Dortmund arbeitet noch nicht nach dem BEI_NRW, hier wird meines Wissens das Standardverfahren eingesetzt. Mein eigener Eindruck: ein persönliches Gespräch zur Erarbeitung der „Unterlagen“ ist bestimmt der beste Weg. Der umfangreiche Text ist anspruchsvoll und sehr ermüdend.


5. Warum sollten Menschen mit psychischen Erkrankungen ihre Partei wählen?

SPD: Lange Wartezeiten auf Therapieplätze, unzureichende Angebote gerade für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen oder Traumatisierungen, fehlende Vernetzung der unterschiedlichen Strukturen, unzureichende Finanzierung der Aus- und Weiterbildung im Bereich der Psychotherapie, diese und viele weitere Probleme gilt es endlich konsequent anzugehen. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie werden zusätzlich die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung in Deutschland in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit rücken. Schon während der Corona-Krise geht es Menschen mit bereits bestehenden psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen schlechter als vor der Krise. Gerade Kinder und Jugendliche leiden extrem unter den Auswirkungen der Isolation und des Wegfalls von persönlichen Begegnungen sowie Kita- und Schulbesuch. Aber auch Erwachsene, die sich vor der Pandemie als psychisch stabil beschrieben hätten, wurden von der Pandemie kalt erwischt. Suchterkrankungen und psychische Erkrankungen sowie Fehltage aufgrund psychischer Belastungen nehmen zu.
Das lenkt unsere Aufmerksamkeit sowohl auf die bestehen Probleme in der Versorgung als auch zukünftige Herausforderungen an eine gute und gerechte psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung für alle Bürger*innen.
Dazu werden wir unter anderem:
- Die Versorgung von Kindern von suchtbelasteten und psychisch kranken Eltern verbessern
- Eine Verbesserung der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen und Traumatisierungen konsequent durchsetzen
- Die Versorgung aus dem Blickwinkel der Interessen von Patient*innen betrachten- Patient*innenrechte stärken
- Uns für eine gerechte Vergütung für Psychotherapeut*innen in Ausbildung und in Weiterbildung einsetzen

FDP: Das ist – so glaube ich – aus meinen Ausführungen sehr deutlich abzulesen. Ich bin einer von Ihnen. Aus eigener Erfahrung und viel Wissen um diese Umstände, mit dem Blick über die Zeit, kann ein echter Vertreter mehr bewirken

Zusätzlich schreibt Herr Löhrer:
Ich bin Frieder Löhrer, Kandidat der FDP im Wahlkreis 143, Dortmund II. Damit direkt auch Ihr Ansprechpartner. Besonders wichtig für Sie dabei sollte es sein, dass ich selbst ein Betroffener bin. Im doppelten Sinne. Ich habe 1980/81 meinen Zivildienst in der geschlossenen Psychiatrie absolviert und mich dabei damals über die Zustände massiv aufgeregt. In der spezifischen Einrichtung konnte ich viel tatsächlich konkret verändern. Natürlich nicht alles. Aber ich bei allen Patienten damals für eine Sanierung der Zähne gesorgt, die Umstellung von einem Satz Unterwäsche für 168 Stunden auf zwei Sätze Unterwäsche und zwei Sätze Nachtwäsche pro Woche, Reduktion der Medikamentierung um zum Teil 80 %, usw.
Ich bin dann nach vielen erfolgreichen Jahren selbst in die Psychiatrie wegen einer schweren Depression eingeliefert worden. Bin aus einem erfolgsverwöhnten Leben in Hartz IV gelandet. Daher bin ich wahrscheinlich einer der wenigen Kandidaten, die das aus eigener Erfahrung einordnen kann. Seit Anfang 2019 krabbele ich aus dem Loch heraus. Ich habe es wieder geschafft.
Daher hier die Antworten zu Ihren Fragen aus meiner Sicht. Machen Sie es möglich, dass ich für diese Sache nach Berlin kann. Dafür würde ich kämpfen. Aus guten Gründen.